Wie können bestimmte Denkmuster und psychische Ressourcen helfen, einen umwelt- und klimafreundlichen Lebensstil zu führen? Antworten gibt im Interview Prof. Dr. Marcel Hunecke, Lehrender am Fachbereich Angewandte Sozialwissenschaften der Fachhochschule Dortmund.
Herr Prof. Dr. Hunecke, warum brauchen wir Nachhaltigkeit?
Auf der Erde sind weltweit Umweltveränderungen im Gange, die unsere Lebensqualität potenziell verringern können. Die Auswirkungen werden vor allem dort stärker sein und früher zu spüren sein, wo schon jetzt schwierige Umweltbedingungen herrschen und finanzielle Ressourcen begrenzt sind. Diese soziale Ungleichverteilung führt auch zu Spannungen innerhalb unserer Gesellschaft und auf globaler Ebene. Daher müssen wir jetzt ins nachhaltige Handeln kommen, bevor die Situation für unsere Umwelt und das Klima ausweglos ist. Das bedeutet: Wir sollten unsere Ziele und Werte verändern und vorausschauend handeln – im Umgang mit den Ressourcen unseres Planeten und im sozialen Miteinander.
Wo sehen Sie heute die größten Hürden in der Gesellschaft auf dem Weg zu einem nachhaltigen System?
Zum einen ist unsere Kultur aus der Balance geraten. Wir leben in einer Konsumerlebnisgesellschaft, in der Menschen suggeriert wird, immer neue, bessere, größere Produkte und Erlebnisse zu brauchen, um glücklich und erfüllt zu sein. Globalisierung und Digitalisierung fördern diesen Trend zur Maßlosigkeit noch. Die zweite Hürde liegt auf der Ebene des Individuums. Wer nachhaltig handeln und leben möchte, muss in der Regel verschiedene Stufen bewältigen: Information zum Thema, Motivation, Planung, Umsetzung und Routinisierung. Dieser ‚Aufwand‘ wird von den meisten Menschen als zu groß empfunden.
Nachhaltiges Handeln kann man jedoch nur etablieren und aufrechterhalten, wenn passende Strategien zu routinisierten Abläufen im Alltag werden. Und dafür braucht das Individuum auch die Unterstützung des sozialen Umfelds und entsprechende organisatorische und infrastrukturelle Angebote. Hier möchte ich auch auf unser Projekt „Klimanachbarschaft“ verweisen.
Warum ist Achtsamkeit so wichtig für eine nachhaltige Lebensweise?
Achtsamkeit kann einem helfen, die eigenen Werte und Ziele zu klären. Durch Achtsamkeits-Techniken kommt ein Mensch zunächst aus dem Stressempfinden des Alltags heraus und in die Ruhe hinein. Dies ermöglicht einem, die eigenen Werte und Ziele zu erkennen und zu reflektieren. Man kann materialistische Werte überdenken und ihre Priorität herabstufen. Achtsamkeit fördert die Naturverbundenheit und somit ein Bewusstsein, das auf den Erhalt von Natur und Umwelt ausgerichtet ist. Zudem wächst durch achtsames Handeln eine wohlwollende Haltung gegenüber anderen Lebewesen – sie macht uns sozialer. All dies sind elementare Aspekte der Nachhaltigkeit.
Ist Nachhaltigkeit auch eine Frage des Geldes? Kann sich jede*r Nachhaltigkeit leisten?
Auf den ersten Blick ist zum Beispiel die Ernährung mit nachhaltig produzierten Lebensmitteln erst mal teurer. Wenn wir jedoch verstehen und erlernen, wie wir mit weniger Konsum und mehr Solidarität zufrieden und gut leben können, dann bietet Nachhaltigkeit sogar Potenzial zum Geldsparen. Mit einem geringeren Konsum von tierischen Lebensmitteln und Fast-Food-Produkten kann man beispielsweise die Kosten für Lebensmittel senken.
Haben Sie ein einfaches Beispiel für einen inneren Leitsatz, der beim nachhaltigen Leben unterstützt?
Ich sage mir jeden Abend, wenn ich auf den Tag zurückblicke: „Hauptsache, die Richtung stimmt!“ Wichtig ist, dass man sich keine zu hohen Ziele setzt, sondern sein Leben in kleinen Schritten jeden Tag etwas nachhaltiger gestaltet. Und dann kann man regelmäßig abgleichen, ob die eigenen Werte und das tatsächliche Handeln übereinstimmen.
Vortrag von Prof. Dr. Marcel Hunecke
- Thema: „Psychologie der Nachhaltigkeit“
- Wann: Donnerstag, 20. April 2023, 17.45 – 19.15 Uhr
- Wo: Volkshochschule Dortmund (Anmeldung erforderlich)