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Angewandte Sozialwissenschaften

Krisenfeste Strukturen in Dortmund

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Prof. Dr. Viola Hartung-Beck hat mit ihrem Team die Strukturen sozialer Netzwerke in zwei Dortmunder Stadtbezirken unter die Lupe genommen und ist der Frage nach gegangen, wie krisenfest diese sind und wie die Akteur*innen vor Ort und in der Stadt mit Krisenmomenten umgehen.

In einer Welt, die immer häufiger von immer komplexeren Krisen geprägt ist, ist resiliente Netzwerkarbeit in Sozialräumen gefragt. Wie gut sind die Akteur*innen in den Kommunen darauf eingestellt? Die Fachhochschule Dortmund hat im Auftrag des Dezernats für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Sport und Freizeit der Stadt Dortmund und der Strategischen Sozialplanung der Stadt die Krisenfestigkeit der Netzwerkstrukturen in ausgewählten Dortmunder Sozialräumen untersucht. 

Im Fokus standen dabei ausgewählte Sozialräume in Hörde und Scharnhorst-Ost, die exemplarisch für die Resilienz von Netzwerken untersucht wurden. „Resilienz umfasst hier nicht nur die Fähigkeit, eine Krise zu überstehen, sondern auch, sich an neue Gegebenheiten anzupassen und einen Transformationsprozess aktiv zu gestalten“, sagt Prof. Dr. Viola Hartung-Beck. Sie lehrt am Fachbereich Angewandte Sozialwissenschaften der FH Dortmund unter anderem empirische Forschungsmethoden mit einem Schwerpunkt auf qualitativen Methoden.

Für die Analyse im Auftrag der Stadt Dortmund haben sie und ihr Team Interviews und Fokusgruppen-Gespräche mit politisch Verantwortlichen, Wohlfahrtsverbänden, Beschäftigten verschiedener Sozialträger und Mitarbeitenden der Stadtverwaltung geführt. In diesen Gesprächen definierten die Befragten eine Krise als eine Form chronischen Stresses, der zu Unsicherheit im routinierten Handeln führt. Ein krisenfestes Netzwerk kann diese Unsicherheit mindern.

Modularität und Diversität als Schlüsselelemente

Prof. Dr. Viola Hartung-Beck

Ein zentrales Ergebnis der Studie ist die Bedeutung modularer Strukturen für die Resilienz eines Netzwerks, welches sich aus unterschiedlichen Akteur*innen zusammensetzt. „Netzwerke, die aus verschiedenen unabhängigen Modulen bestehen, haben den Vorteil, dass Störungen einzelner Teile nicht das Gesamtsystem gefährden“, erklärt Professorin Hartung-Beck. Dies mache sie besonders widerstandsfähig gegenüber unvorhersehbaren Krisen. Ein gewisses Maß an Selbstständigkeit der einzelnen Akteur*innen wie etwa Verwaltungsstellen, sozialen Organisationen oder auch Freiwilligennetzwerken sei demnach erstrebenswert.

Krisenfest sind soziale Strukturen vor allem auch dann, wenn sie divers sind. Unterschiedliche Akteure*innen bringen unterschiedliche Perspektiven, Kompetenzen und Lösungsansätze ein. So kann gerade im Krisenfall eine breite Basis an Ideen und Ressourcen mobilisiert werden.

Herausforderungen im Alltag

Die Anforderungen nach Modularität und Diversität stellen die Netzwerke zugleich auch vor Herausforderungen. In den Befragungen wurde deutlich, dass etwa ehrenamtliche Helfer*innen nicht immer ausreichend qualifiziert und oft nur (zeitlich) begrenzt zur Verfügung stehen. Die Fluktuation führe zu Belastung bei den hauptamtlichen Akteur*innen, deren Situation durch den Fachkräftemangel bereits zugespitzt ist. „Darum ist die Arbeits- und Kommunikationsstruktur unter den Akteur*innen und im Zusammenspiel mit Verwaltung besonders wichtig“, so Professorin Hartung-Beck.

Die Forschenden schlagen vor, dass jeweils mindestens zwei Akteur*innen ein und dieselbe oder zumindest eine ähnliche Zuständigkeit abdecken. Das stärke die Resilienz und die Flexibilität. Zudem sei es notwendig, klare Feedback-Schleifen zu etablieren, um den Informationsaustausch in Krisenzeiten zu verbessern. So zeigte sich in den Gesprächen mit den Akteur*innen vor Ort, dass vor allem während der Corona-Pandemie eine mangelhafte Informationsweitergabe zu Spannungen bei den Bewohner*innen der Aktionsräume führte. In diesem Zusammenhang regen die Forschenden unter anderem an, Begegnungsorte so zu konzipieren, dass sie in akuten Momenten einer Krise als Treffpunkt genutzt werden. Sie würden so auch zu Anlaufstellen für Freiwillige, die in solchen Situationen zentrale Funktionen des sozialen Netzwerkes kompensieren können.

Neben analogen Begegnungsorten verweisen die Forschenden auch auf digitale Kommunikationswege. Durch eine Kombination von beidem könnten Strukturen geschaffen werden, die zur Flexibilität der sozialräumlichen Strukturen beitragen. Flexibilität wiederum sei ein weiterer Baustein resilienter Netzwerke. Insgesamt sieht das Forschungsteam in den untersuchten Netzwerken der Aktionsräume sehr gute Anlagen modularer Strukturen für den Umgang mit Krisen, die weiterhin verlässlich ausgebaut werden können.