Brillen für Virtual Reality, Assistenzroboter wie die Robbe Paro oder interaktives Radfahren vor großem Bildschirm – welche Systeme können einen Beitrag zur Teilhabe im Alter leisten? Welche IT-Tools erleichtern den Arbeitsalltag von Pflegekräften? Im Projekt „Di-PAS st“ suchen die mpool consulting GmbH und die FH Dortmund nach digitalen Lösungen in der Pflege.
„Wir legen den Fokus auf konkrete Alltags-Herausforderungen, die wir mit den Pflegediensten und -Einrichtungen identifizieren“, erklärt Prof. Dr. Sabine Sachweh. Die Informatikerin ist Sprecherin des Instituts für die Digitalisierung von Arbeits- und Lebenswelten (IDiAL) (Öffnet in einem neuen Tab) an der FH Dortmund. „Wir entwickeln dabei kein neues Tool, sondern versuchen für ein Problem die passende Lösung am Markt zu finden. Denn dort gibt es bereits viel.“
Häufig geht es um Organisatorisches. In einer Seniorenresidenz etwa gibt es nun ein digitales Formular für die Essensbestellung, mit echten Fotos der Speisen aus der Küche. Dank „Di-PAS st“ wurde das Ende der Zettelwirtschaft eingeläutet. Das bringt Erleichterung auf mehreren Ebenen: Die Pflegekräfte müssen nicht mehr den Menüplan vorlesen. Die Küche muss nicht mehr händisch die Zettel-Bestellungen auswerten. Die Bewohner*innen können anhand der Fotos die Speisen besser erkennen.
Digitalisierung bleibt noch zu oft auf der Strecke
Anderes Beispiel: Für einen Pflegedienst haben die „Di-PAS st “-Forschenden einen digitalen Schlüsselkasten rausgesucht, der automatisch dokumentiert, wer wann welchen Wohnungs- oder Autoschlüssel abgeholt und zurückgebracht hat. Handschriftliche Listen und Übergaben sind nun nicht mehr nötig. „In der Pflege wird vieles noch analog notiert und dokumentiert“, berichtet Leon Sachweh, wissenschaftlicher Mitarbeiter am IDiAL. Sein Kollege Marcel Mitas ergänzt: „Für die Suche nach IT-Lösungen und deren Einführung fehlt im Pflege-Alltag zu oft die Zeit. Die Digitalisierung bleibt auf der Strecke, selbst wenn es am Ende Arbeit spart.“
Darum wollen die Forschenden der FH Dortmund in der zweiten Projekthälfte bis Mitte 2026 noch mehr Pflegeeinrichtungen mit konkreten Ideen ansprechen. Dafür bieten sie kostenfreie Workshops im IDiAL an und sind auf Fachmessen präsent. In den Gesprächen verdeutlicht das Team um Professorin Sachweh auch, dass der Zeitaufwand für Digitalisierungsprojekte in der Pflege gar nicht so groß sein muss, wie Betriebe meist denken. Oftmals lasse sich schon mit wenigen Mitteln auch der Alltag der Bewohner*innen verbessern.
Ein weiteres Beispiel: In einem Seniorenzentrum in Iserlohn haben die Forschenden mit Virtual-Reality-Brillen (VR-Brillen) experimentiert. Virtuell ging es da durch die antike Stadt Petra, durch San Francisco oder in die Tiefen des Meeres. „Selbst Bewohner*innen die erst skeptisch waren, wollten die VR-Brille gar nicht wieder absetzen“, erzählt Leon Sachweh. Inzwischen hat der Heimbeirat die Anschaffung einer eigenen VR-Brille beschlossen.
„Wir können mit dieser Technik die Erfahrungsräume der Bewohner*innen ausdehnen und das Leben im Seniorenheim um eine Dimension erweitern“, betont Professorin Sachweh. Sie denkt dabei auch an 360-Grad-Aufnahmen aus der Heimatstadt, vom Weihnachtsmarkt oder einem wichtigen Familienevent. Über die VR-Brillen könnten mobilitätseingeschränkte Personen ein Stück Teilhabe erfahren. „Das ist am Anfang ein bisschen Arbeit, aber es bringt eine Menge“, so die Wissenschaftlerin. Angehörige oder auch Ehrenamtliche könnten 360-Grad-Aufnahmen oder ganze Touren bereitstellen. „Mit der Corona-Pandemie haben wir etwa für Onlinemeetings jede Menge Technik kennengelernt, die auch leicht zu bedienen ist. Diese können wir nun auf andere Bereiche ausweiten“, ist Professorin Sachweh überzeugt.
Die Best-Practice-Beispiele, die im Projekt entstehen, werden von den Forschenden gesammelt, ausgewertet und katalogisiert – sowohl im Metaversum, einer neuen Art der Präsentation in einer virtuellen Welt, als auch auf einer klassischen Website. Das Ziel ist klar: Nachahmer finden, um die Digitalisierung der Pflege aber auch des Lebens im Alter voranzutreiben. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales fördert das „Di-PAS st“-Projekt, ebenso die Europäische Union über den Europäischen Sozialfonds .