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Heute spielt Heimat – Heute spielt Dortmund!

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Heute spielt Heimat – Heute spielt Dortmund!

Das rechtsextreme Trio NSU ermordete zwischen dem Jahr 2000 bis zu ihrer Entdeckung im Jahr 2011 zehn Menschen – neun davon aus offen rassistischen Gründen. Wie kann eine Gesellschaft nun an die Opfer rechtsextremen Terrors erinnern? Mehmet Kubaşık wurde 2006 von den rechtsextremen Mördern in seinem Kiosk im Dortmunder Norden erschossen. Er war dreifacher Vater und wie so viele in dieser Stadt Fußballfan. Seine Aussage „Heute spielt Heimat – heute spielt Dortmund“ spiegelt sein Verhältnis zur Stadt und seinem Verein sehr gut wider.

Mehmet Kubaşık Cup als Ort des Erinnerns

Einen besonderen Weg des Erinnerns ging das Jugendprojekt Nordstadtliga am 6.5. in Dortmund. Ausgespielt wurde der diesjährige Mehmet Kubaşık Cup in den Jahrgängen 1999 bis 2006. Niemand von den beteiligten Jugendlichen in den zehn Mannschaften aus dem Dortmunder Norden konnte Mehmet Kubaşık selbst kennen. Ihm zu Ehren und zu erinnern, spielten sie aber um den Respektspokal, fragten nach seiner Geschichte und den Hintergründen seines Todes. Dabei wurde nicht nur getrauert, sondern auch gelacht und um Tore gekämpft. Jedem Fußballfan kann eigentlich nur das Herz aufgehen, wenn er sieht, wie Jugendliche hier die Grundregeln einer solidarischen Gesellschaft auf dem Platz lernen.

Engagierte Jugendliche

Als mir der Organisator dieses Pokalwettbewerbs, Mirza Demirović, einen Sticker zum Cup in die Hand drückte, musste ich mich an einen besonderen Tag und Abend aus dem Jahr 2000 erinnern. Ich war damals auf Einladung einer Jugendgruppe im thüringischem Neustadt (Orla). In ihr wütete zu der Zeit der rechtsextreme Thüringische Heimatschutz, aus dem der NSU hervorgegangen ist. Es gab damals in dem Städtchen Gewalttaten gegen vermeintliche Linke, die sich im Gespräch bei Cola und Kaffee als intelligente, mutige und humanistisch orientierte Jugendlichen zeigten.

Die Opfer dieser Gewalt erhielten Unterstützung von ihren Freundinnen und Freunden und auch von vielen Erwachsenen und luden an dem Tag zu einer öffentlichen Veranstaltung mit mir als externen Gast ein. Ich sollte eine Strategie des Umgangs für die Stadt entwickeln und dann Wege dorthin moderieren. Der Saal war prall gefüllt und vor der Tür musste die Polizei die Veranstaltung vor den aufmarschierten Rechtsextremisten schützen. Schnell zeigte sich, dass ich gar nicht viel zu tun bekommen sollte. Die Jugendlichen hatten großartig vorgearbeitet. Sie hatten einen Unternehmer vor Ort für ihre Idee gewonnen. Dieser positionierte sich in der Sitzung und forderte u.a. den örtlichen Bürgermeister und die lokale Politik auf, die Jugendlichen zu unterstützen und sich dem Thema offensiv zu widmen, was diese dann auch taten.

Jugendgerechte Erinnerungskultur

Nach der Veranstaltung trafen wir uns im einzigen italienischem Restaurant vor Ort und atmeten durch. An dessen Besitzer musste ich in Dortmund denken; denn er kam abends an unseren Tisch, sichtlich gerührt und emotional aufgeladen. In der Hand eine jahrzehntealte Flasche Wein aus einem Bestand, der es nach seinen Aussagen sonst nur bei ganz wichtigen Familienfesten auf den Tisch schaffte. Wir durften kosten und er erzählte von seiner Angst vor dem rechtsextremen Terror vor Ort und seiner Dankbarkeit gegenüber den Jugendlichen, in denen er eine Zukunft für eine soziale und demokratische Kultur des Miteinanders und ohne Hass und Gewalt wähnte. Dieser Besitzer hätte genauso gut ermordet werden können wie Mehmet Kubaşık und die anderen Opfer der Terrorgruppe. Er vertraute trotz seiner Angst und Erfahrungen an die Kraft der nächsten Generation und dass sich Menschlichkeit als stärker erweise als Hass und Rassismus.

Ich habe mir vorgestellt, wie es wäre, wenn dieser Restaurantbesitzer (dessen Namen ich leider nicht kenne) zusammen mit Mehmet Kubaşık die Chance bekommen hätte, diesen Jugendlichen in Dortmund zuzugucken, wie sie sich auf dem Platz messen, Spaß haben, Grenzen austesten und sich am Ende doch auf Regeln des Respekts und der Fairness einigen. Ich habe Mehmet Kubaşık nicht kennengelernt, bin ich mir aber von dem, was ich über ihn hörte, sicher: beiden hätte der Anblick hervorragend gefallen. Diese Jugendlichen sind genau das, was der NSU bekämpfen wollte und vor dem die Rechtsextremisten bis heute Angst haben. Sie sind die nächste Generation einer von Einwanderung geprägten Stadtgesellschaft und damit die Zukunft dieses Landes und der Stadt. Mit dem Ball auf dem Platz sind sie zu erreichen und gedenken so auf ihre Weise an den Dortmunder Mehmet Kubaşık und zeigen, dass eine Kultur des Erinnerns auch jugendgerecht und ohne ritualisierte Kranzniederlegung gehen kann.


Autor des Blogbeitrages